Klöppeln für Paris

Beatenberg 30. März 2017

Bericht aus der Jungfrau Zeitung von Sarah Neuhaus

Vom abenteuerlichen Weg einer Berner Oberländer Meisterklöpplerin an die Fashion Week. Oder: Wie Maria Lehner für die Zukunft eines jahrhundertealten Handwerks kämpft.

von Sarah Neuhaus

Foto: Mirjam Kulka

Nach über einem Jahr harter Arbeit konnte die Kollektion Anfang März präsentiert werden.

Als Maria Lehner im Dezember 2015 am Kunsthandwerker-Weihnachtsmarkt mit eisigen Fingern ihre E-Mails auf dem Smartphone abrief, traute sie ihren Augen kaum. «Die Zeilen, die ich las, liessen mich die Kälte augenblicklich vergessen», erinnert sich die 73-jährige Beatenbergerin, und ihre Augen beginnen zu leuchten. Was mit einer E-Mail begann, endete Anfang März dieses Jahres mit einer unvergesslichen Reise zur Pariser Fashionweek. Im Zentrum – ein jahrhundertealtes Kunsthandwerk.

Klöppeln in neuen Dimensionen

Für die Kollektion von Eliane Heutschi entwickelte Maria Lehner eine völlig neue Technik.

Fotos: Sarah Neuhaus

Monatelang feilte Maria Lehner an ihrer revolutionären Technik.

Handwerk für die Zukunft

Es war die Zürcher Designerin Eliane Heutschi, die Maria Lehner vor über zwei Jahren im Dezember per Mail kontaktiert hatte. Die in Paris wohnhafte Jungdesignerin war übers Internet auf die modern interpretierten Klöppelarbeiten der Beatenbergerin gestossen. Damit war sie unbewusst an genau der richtigen Adresse gelandet. Seit 21 Jahren beschäftigt sich Maria Lehner intensiv mit dem alten Kunsthandwerk. Sie gehört zu den Besten in ganz Europa und gewinnt regelmässig Auszeichnungen mit ihren Arbeiten. «Insgeheim hegte ich aber schon lange den Wunsch, im Modebereich zu arbeiten», so die Künstlerin.

Handgemachte Spitze – modern interpretiert.

Foto: Mirjam Kulka

 

Im Rahmen ihrer Kollektionen beschäftigt sich Eliane Heutschi mit unterschiedlichen Kunsthandwerken, deren Ansehen mit der Zeit verblasst ist. Die Spitze in die Moderne zu transportieren, das hat sich auch Maria Lehner zum Ziel gemacht. Der Zusammenarbeit der beiden Frauen stand also nichts im Weg.

Zwei Frauen mit Vision: Eliane Heutschi (links) und Maria Lehner.

Foto: Christoph Lüthi

Klöppeln mit Neopren

Über Monate hinweg entstanden in der gemütlichen Beatenberger Wohnung von Maria Lehner zahlreiche Musterproben. «Ich arbeitete mit Materialien, die ich nicht in meinen kühnsten Träumen mit dem Klöppeln in Zusammenhang gebracht hätte», erinnert sich Maria Lehner. Gleichzeitig entwickelte sie neue Techniken um den handgemachten Spitzen ein völlig neues Aussehen zu verleihen. «Wir wollten keine feine Spitze, so wurden die Muster mit der Zeit immer gröber und grösser.» Es entstanden neue Formen, und im gemeinsamen Austausch wurden die ersten Kleidungsstücke angefertigt. Stück um Stück wuchs so die Kollektion, während die Fashion Week in Paris immer näher rückte. In der ersten Märzwoche war es schliesslich soweit. Unter dem Label «savoar fer» präsentierten Eliane Heutschi und Maria Lehner ihre Werke in Paris.

Das Geheimnis dieser Spitze hielt Maria Lehner bis zur Präsentation unter Verschluss.

Nur ein geübtes Auge erkennt die Spitze als solche.

Foto: Mirjam Kulka

In Begleitung ihrer Kinder reiste die 73-Jährige in die französische Hauptstadt. «Das war eine unheimlich spannende Zeit», fasst Maria Lehner ihren ersten Kontakt mit der Pariser Modewelt zusammen. Die Beatenbergerin traf Modeexperten, Fachjournalisten und arbeitete mit Models. Ihr Ziel, dem Klöppeln eine Perspektive zu bieten, vergass Maria Lehner dabei nicht. «Ich habe meine Arbeitsutensilien mitgenommen und mich damit neben die Kollektion gesetzt, um den Leuten zu zeigen, wie Klöppeln funktioniert.»

In Paris legte Maria Lehner (rechts) einige Klöppel-Showeinlagen ein.

Foto: Christoph Lüthi

Begeistertes Paris

«Wir bekamen viel positives Echo aus Fachkreisen», erzählt Maria Lehner. Aus der Ecke der Anhänger der traditionellen Klöppelkunst gab es jedoch auch kritische Stimmen. «Wissen Sie, das nehme ich mir aber nicht so zu Herzen», sagt Maria Lehner und blickt zu Boden, aber nur ganz kurz, dann hebt sie ihren Kopf wieder und schaut bestimmt durch den Raum. «Die Klöppelspitze muss eine Zukunft haben.»

Klöppeln im Stundenlohn

Die ersten Bestellungen sind bei Maria Lehner bereits ins Haus geflattert. Reich wird sie damit aber nicht. «Wir haben uns auf einen Stundenlohn von zehn Franken geeinigt.» Sie habe dieses Projekt zu keinem Zeitpunkt des Geldes wegen angepackt, betont Lehner. «Es geht einzig und allein um die Spitze.» Selber will Maria Lehner ebenfalls einige Stücke aus der Kollektion tragen. «Damit werden wir Beatenberg auf den Kopf stellen», sagt die 73-Jährige und lacht herzhaft.

Mit ihrem Beitrag will Maria Lehner der Spitze eine Zukunft geben.